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Fahrsportliebe [Teil 2] - Der Unfall

In diesem Beitrag möchte ich euch endlich mal unseren Fahrsportunfall erläutern. Sicherlich kein schönes Thema, aber dennoch gehört es zu uns dazu und hat uns sicherlich auch geprägt. Warum genau heute? Ich habe mir einfach die Zeit genommen es zu „Papier“ zu bringen und irgendwie passt es auch, da wir uns gestern wieder ans Fahren getraut haben.

 

Es war der 30. August 2014 – es sollte ein schöner Tag werden, aber leider kam alles anders. Wir hatten uns erst wenige Monate vorher unsere Fahrsportkarriere gestartet im E-Bereich. Es lief alles wunderbar und wir hatten super viel Spaß. Das Turnier an dem besagten Tag sollte mit eins der letzten der Saison sein und zeitgleich auch das Letzte im E-Bereich. Ich plante in die Klasse A aufzusteigen. Aber alle Träume zerplatzen innerhalb von Sekunden.

 

Es ging morgens los mit einer Dressur, die ganz wunderbar lief. Nach etwas Pause wurde erneut angespannt um in den Kegelparcours zu fahren. Das Pony stand in der Wartezeit wie immer brav am LKW und erfreute sich am Heu. Auch den Kegelparcours meisterten wir mit Bravour und ich war richtig gespannt auf den Marathon am Nachmittag. Die Geländeprüfung gehörte immer zu meinem Favoriten, da es dort um ganz viel Gas und zeitgleich Präzision geht. Wir nutzen die lange Wartezeit um mit Nessaja ein bisschen spazieren zu gehen. Sie durfte grasen und ich erinnere mich noch ganz genau dran, dass wir sogar Hagebutten pflückten, da am Rande des Turnierplatzes extrem viele Büsche standen und ich die gepflückten Hagebutten sammelte um sie später zu trocknen und zu verfüttern.

 

Im Nachmittag ging es in den Marathon – Pony lief wunderbar und nachdem wir fertig waren schauten wir uns die anderen Teilnehmer noch vom der Kutsche aus an. Da die Siegerehrung zeitnah nach Ende des Marathons stattfinden sollte, haben wir das Pony nicht abgespannt. Jetzt im Nachhinein frage ich mich manchmal ob das der Fehler war, aber zu diesem Zeitpunkt war Nessaja total ruhig. Sie stand entspannt, ein Bein angewinkelt, vor der Kutsche und döste in der Sonne. Alles wunderbar.

 

Dann ging es endlich zur Siegerehrung – wir konnten uns in allen 3 Prüfungen platzieren und ich war unendlich glücklich über die Ergebnisse. Es sollten die 3 Prüfungen nacheinander geehrt werden, aber so weit kam es leider nicht. Wir bekamen die erste Schleife für die Dressur und es ging auf die Ehrenrunde. Dann wurde sich erneut aufgestellt um eine weitere Schleife für den Kegelparcours in Empfang zu nehmen. wir landeten auf dem 3. Platz. Die beiden anderen Gespanne vor uns bekamen Schleifen und Ehrenpreise – alles ganz entspannt und plötzlich wie von einer Tarantel gestochen, schoss mein Pony los. Sie buckelte und trat mehrfach gegen die Kutsche um diese loszuwerden. Ich saß hilflos auf dem Bock und konnte ziehen und zerren wie ich wollte, Nessaja war nicht mehr zu bremsen. Sie rannte grade aus auf das Zuschauerzelt zu und ich hatte das Gefühl die Zeit war in diesem Moment stillgestanden. Ich hatte eine wahnsinnige Angst, dass die nun kopflos durch die Menschenmenge rennen würde. Im letzten Moment schlug sie einen Hacken und wir wurden von der Motorhaube eines Krankenwagens gestoppt. Dieser bremste kurzzeitig unsere wilde ungeplante Fahrt. Nessaja aber war aber nach der Kollision schon wieder bereit weiterzulaufen. Fünf starke Männer schafften es aber das Pony zu packen und auf den Boden zu werfen. Sicherlich nicht die ganz feine Art, aber definitiv unsere Rettung, denn ich glaub wenn die Männer und weitere Autos uns nicht aufgehalten hätten, wäre sie weiter gerannt und das Ganze hätte viel schlimmere Folgen gehabt.

Weiterhin zog alles wie im Film an mir vorbei – ein ganz komisches Gefühl. Ich wollte von der Kutsche runter und helfen, aber es wurde mir verboten. Ich sollte sitzen bleiben, bis das Pony abgespannt war. Dies ging auch dank vieler erfahrener Menschen super schnell und mein Trainer, der als Zuschauer vor Ort war, schnappte sich das Pony um sie weg aus der Situation zu bringen. In der Ferne hörte man schon den gerufen Rettungsdienst. Ich durfte nun endlich von der Kutsche runter – etwas zittrig aber dennoch mit klarem Verstand. Dennoch wurde ich vom Rettungsdienst untersucht. Meiner Meinung nach unnötigerweise. Ich wusste was passiert war und in meinem Kopf kreist bis heute die Frage nach dem Warum. Leider wurde diese bisher auch nicht beantwortet und ich schätze sie wird mir auch immer verborgen bleiben – leider.

 

Nachdem ich untersuch worden war, durfte ich endlich selber zum Pony. Nessaja war zwischenzeitlich vom Geschirr befreit worden und ein Mädel vom Veranstalter ließ sie grasen. Sie schien wieder total entspannt und graste genüsslich als wäre nie etwas passiert. Nur eine große blutige Schramme auf der Nase ließ erahnen was grade passiert war. Nessaja war zwischenzeitlich auch von der Tierärztin vor Ort untersucht und diese stellt zum Glück nichts Schlimmes fest. Teilte nur mit, dass das Pony wahrscheinlich lahm sein würde die kommenden Tage aufgrund von Prellungen. Dies blieb aus, nur die Schramme auf der Nase brauchte ein paar Tage zum verheilen. Jedoch waren die seelischen Wunden beim Pony tiefer als erwartet.

 

Auch wenn es mir an dem Nachmittag kaum einer glaubte, ich war sehr gefasst und war mir bewusst was da passiert war. Die Trauer war groß, weil man eben nicht wusste was der Ausschlaggebende Punkt für ihren Aussetzer war. Leider konnte ich zu diesem noch nicht erahnen, dass wir tatsächlich nie wieder auf Turnier fahren würden. Noch war mein Traum nicht ausgeträumt, zumal mein Trainer direkt meinte, dass wir zuhause wieder anspannen würden.

 

Noch vor Ort spekulierten wir mit anderen Teilnehmern und dem Veranstalter was das Problem gewesen sein könnte. Es gab Vermutungen wie ein Stich von einem Insekt oder aber ein Stromkabel was eventuell genau an dieser Stelle verlief. Einen Stich konnten wir nicht entdecken und auch die Vermutung mit dem Stromkabel blieb ungeklärt. Ich schätze wenn es das gewesen wäre, hätten dort auch andere Pferde Probleme gehabt. Es wird wohl immer ein Rätsel bleiben, denn Pferde können ja bekanntlich nicht sprechen.

 

Eins war klar, so einfach wollte nicht aufgeben. Ich wollte wieder anspannen und natürlich wenn möglich auch wieder aufs Turnier fahren. Aber erstmal verging einige Zeit – Zeit in der mir die Motivation fehlte, vielleicht auch ein Zeichen meiner Psyche dass ich noch nicht bereit war. An der Kutsche und am Geschirr mussten zudem Kleinigkeiten repariert werden, die den Unfall eben nicht überlebt hatten. Im Oktober 2014 packte ich dieses Vorhaben an, ich wollte endlich wieder Fahren. Ich war bereit dazu! Leider fiel genau zu diesem Zeitpunkt dann beim Trainer aus, der selber einen Kutschunfall hatte und somit war ich auf mich alleine gestellt aber er versicherte mir, dass alles klappen würde.

Und somit spannten wir zum ersten Mal nach dem Unfall wieder an. Ich hatte für dieses Vorhaben extra die Halle sperren lassen, damit wir wirklich unsere Ruhe hatten. Ich wollte den ersten Versuch eben in der Halle wagen, da dort eben Wände sind um uns zu bremsen, falls es eben doch nicht funktionierten sollte. Aber obwohl bei mir die Anspannung riesig war, war das Pony die Ruhe in Person. Meine Begleitung ging die ersten Meter neben dem Pony um im Fall der Fälle eben schnell zu in die Leinen greifen zu können aber das war gar nicht nötig. Ich fühlte mich nach nur wenigen Runde wieder super sicher und selbst trab und Galopp waren absolut kein Problem und so wagte ich direkt noch den nächsten Schritt. Ich hatte so ein positives Gefühl, dass wir noch eine Runde im Gelände drehten. Nessaja war super entspannt und lief vor dem Wagen, als wäre nie etwas vorgefallen. Meine Freude war riesig und ich sah mich tatsächlich auch wieder auf Turnier fahren.

 

Ich nutzte den Herbst/Winter um viel raus zu fahren, denn ich wollte eben so viel es ging fahren um dem Pony immer wieder zu zeigen, dass dies eben eine ganz tolle Sache ist. Im Frühjahr 2015 ging es dann zu unserer Feuerprobe. Wir fuhren zum Fahrlehrgang auf das CHIO-Gelände. Also eben große Kulisse, viele fremde Gespanne und eben etwas angespannte Stimmung. Perfekt um zu testen ob das Pony wieder Turniertauglich ist oder nicht. Das Lehrgangswochenende war super. Nessaja benahm sich vorzüglich und mir wurde von wirklich allen versichert, dass wir es wieder versuchen sollten mit den Turnieren. Darunter einige sehr erfolgreiche Fahrer, die schon selber den einen oder anderen Unfall hinter sich hatten. Also nannte ich für April 2015 ein Turnier. Voller Vorfreude ging es am Vorabend los – vor Ort stand das Pony brav und entspannt auf dem Paddock. Also alles wirklich positiv. Auch die Nacht war ruhig und ich freute mich riesig, dass es am nächsten Morgen wieder losgehen sollte. Aber leider wurde daraus nichts.

 

Ich hatte das Geschirr aufgelegt und wollte das Pony an den Wagen stellen und ab dann war alles anders. Nessaja zitterte, sackte immer wieder zusammen und riss panisch die Augen auf. Von jetzt auf gleich ein ganz anderes Pferd. So hatte ich sie wirklich noch nie gesehen. Ich durfte sie auch nicht mehr anfassen – für mich war direkt klar, dass es das war und wir unverrichteter Dinge nach Hause fahren würden. Um uns herum wollten mich einige andere Teilnehmer darin bestärken es dennoch zu versuchen aber das wollte ich nicht. Denn es wäre definitiv nicht gut gegangen. Also ging ich zur Meldestelle und zog meinen Start zurück. Die Richter konnte dies trotz meiner Erklärung zum Unfall nicht ganz nachvollziehen aber ich denke bis heute ist dies die Beste Entscheidung gewesen. Nessaja ist zwischenzeitlich von meiner Begleitung abgeschirrt worden und direkt auch schon verladen. Oben auf dem LKW stand sie dann auch wieder total entspannt und anfassen von meiner Seite aus ging auch wieder. Wirklich kurios was die Panik wieder ausgelöst hatte. Wir werden es wie gesagt niemals erfahren.

 

Nachdem alles gepackt war, habe ich auf dem Rückweg noch bei einem Bekannten aus dem Fahrsport (Kaderfahrer Pony-Einspänner) angehalten und wir sind dort gemeinsam Nessaja gefahren. Sie sollte einfach mit einem positiven Erlebnis zuhause ankommen. Vor Ort war sie zwar auch aufgeregt aber ich konnte sie problemlos fahren. Und man muss sagen auch dort war sie noch nie gewesen.

 

Seitdem fahren wir nur noch zuhause – aber leider nicht sehr regelmäßig. Oft fehlt etwas die Motivation, weil ich so gerne wieder Turnier fahren würde, aber das kommt nun mal nicht in Frage. So haben wir eben gestern nach einem Dreivierteljahr wieder angespannt. Es war ganz wunderbar, wenn auch erst etwas angespannt aber es funktioniert nun mal als wäre nie etwas vorgefallen. Wir werden also weiterhin zuhause fahren und somit das Pony glücklich machen. Denn vor der Kutsche ist sie super motiviert und schaut nach nichts – einfach ein Träumchen!

 

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